In den letzten zwei Jahren habe ich viele Texte veröffentlicht, dadurch viele Menschen erreichen und unterstützen können.
Nun möchte ich über meine Geschichte schreiben und Dich daran teilhaben lassen.
Wer bin ich? Und wie bin ich zu der Frau geworden, die ich heute bin?
Im Spätsommer 1980 kam ich in Düsseldorf auf die Welt und lebte dort bis zu meinem dritten Lebensjahr.
1983 zogen wir zusammen mit meinem Bruder in die schöne Kleinstadt Zile, die nordöstlich von Mittelanatolien liegt. So wie viele türkische Kinder in den 80er Jahren war auch ich ein Kofferkind¹. Fünf schöne Jahre meiner Kindheit verbrachte ich dort und war sehr gern ein Kind in dem wohlbehüteten Haus meiner Großeltern, die voller Liebe und Weisheit war, alevitisch sowie humanistisch geprägt war. 1988 verließen wir das Haus meiner Großeltern und zogen mit meiner Mutter und meinem Bruder nach Ankara. Dort verbrachte ich vier Jahre und besuchte die Schule bis zur sechsten Klasse – bis zur ersten Klasse der Mittelschule. Diese Welt, in der ich lebte, war von Höflichkeit geprägt.
1992 zeigte sich erneut der Weg nach Deutschland. Mit einem mulmigen Gefühl kam ich mit meinen Deutschkenntnissen nach Düsseldorf. Mein Wortschatz war gefüllt mit „Hallo.“, „Wie geht es dir?“ und „Gut.“. Zu meinem Glück gab es damals Aussiedlerklassen auf einem Gymnasium in Hilden, so dass es mir schnell gelang, die deutsche Sprache zu beherrschen. In Deutschland habe ich die Freiheit sowie viele andere Kulturen kennen und schätzen gelernt.
Im Jahre 2000 machte ich mein Abitur und entschied mich für ein Studium an der RWTH Aachen. Ich studierte Technische Redaktion mit Kommunikationswissenschaften und Informatik. In dieser Zeit entdeckte ich neue Facetten an mir. Als Studentin lernte ich, über mich hinauszuwachsen, die Komplexität zu lieben, zu programmieren, Rechner zu reparieren und Lehrmaterial zu vermitteln.
2008 zog es mich nach Köln. In einem Elektronikkonzern absolvierte ich ein Praktikum und schrieb meine Magisterabeit. Zwei Tage nach der Abgabe meiner Magisterarbeit trat ich meinen ersten Job als Technische Redakteurin an. Es war eine spannende Zeit. Ich lernte viel von meinem damaligen Chef, der für mich ein Wegweiser und ein großartiger Mentor war. In dieser Zeit stand ich vor meinem 30. Geburtstag. Ich fing an, alles in Frage zu stellen, meine Überzeugungen, meine Werte, mein Leben, meinen Weg, uvm. Bis ich mich entschied, loszulassen. So gab ich alles auf, was ich aufbaute. Es war keine einfache Zeit, doch habe ich einen Riesensprung in meinem Wachstum gemacht und mich dadurch entfalten können.
2011 trat ich eine neue Stelle an, in einer für mich fremden Branche Sondermaschinenbau und Anlagenbau sowie fremden Stadt Mönchengladbach. Dort kam ich schnell voran, in meinem Aufgabengebiet als Technische Redakteurin. Ich leitete viele Projekte, baute ein Team auf und stieß neue Projekte an. Doch ließ mich meine innere Stimme nicht in Ruhe. Etwas wollte mich in eine andere Richtung bewegen, und es war etwas Neues, was mich erwartete. Also begab ich mich auf die Suche und fand nach einer langen Zeit eine Coachingausbildung. Ebenso hatte ich den Wunsch in mir, mein eigenes Unternehmen aufbauen zu wollen.
Im Januar 2013 fing ich an, den steilen Weg zu gehen. So arbeitete ich in Vollzeit in meinem Hauptberuf und baute nebenberuflich mein eigenes Unternehmen auf. In dieser Zeit habe ich zwei Coachingausbildungen absolviert und ein großartiges Netzwerk aufgebaut. Seither habe ich viele Menschen unterschiedlichen Alters und in unterschiedlichen beruflichen Positionen gecoacht sowie viele Trainings angeboten. Hier habe ich erfahren, was passieren kann, wenn Menschen ihren Themen Raum geben und diese loslassen. Ich habe die Veränderungen beobachten können, wie Kräfte plötzlich frei wurden, wie Menschen anfingen zu strahlen und selbstbewusst in ihrer inneren Haltung wurden. Seit fast zwei Jahren begleite ich als Teamcoach ein erfolgreiches Startup in Düsseldorf und bin stolz auf sein Wachstum sowie seine Entwicklungen. Beispielsweise führte ich letztes Jahr im Filmmuseum Düsseldorf eine eigene, erfolgreiche Veranstaltung durch. In diesem Jahr habe ich angefangen, einen Integrationsrat in Niederrhein zu begleiten. Besonders freue ich mich auch darüber, ein Teil von zwei Initiativen zu sein.
Durch viele Wege hat mich das Leben geführt. Immer wieder lernte ich meiner Intuition zu folgen und mutig meinen Weg zu gehen. Jeder kleine Schritt führte mich zu der nächsten Etappe. Viele Hindernisse habe ich überwinden und viel Leid hinter mir lassen können. Ich habe gelernt, loszulassen und neu Kraft zu gewinnen, mutig zu sein, mir klare Ziele zu setzen, dem Leben zu vertrauen und dankbar zu sein, für all die Menschen, die ein Teil meiner Geschichte waren und sind.
© Text: Zerrin Börcek
© Foto: Hussein K. Photography http://husseink.de/
¹ Die Geschichte der Kofferkinder ähneln sich. In den 80’er Jahren arbeiteten die Eltern in Deutschland und hatten den Wunsch in sich, in die Türkei zurückzukehren. Die Kinder wurden bei den Großeltern bzw. bei den Verwandten in der Türkei untergebracht, damit sie die türkische Sprache lernten und sich in der Türkei zu Hause fühlten.
Liebe Zerrin,
der Text liest sich klasse.. ich hatte ihn fast noch ausgeschmückter erwartet.. ;-).. doch so schön, wie er kurz und gebündelt auf das wichtigste hinweist, kann man sich in den Zeilen (auch wenn man kein türkisches Kofferkind ist ;-)) wiederfinden und sich in diese Phasen hineinspüren.. ich danke dir für diesen Einblick und freue mich auf bald. Cheers und regards, Johanna